…oh Mann.
Das bekomme ich in den vergangenen Tagen immer wieder auf’s Brot geschmiert – also das ich nun „steil auf die 30 zugehe“.
…dabei werde ich heute zarte 26.
Es ist mein fünfter Geburtstag ohne Mutter und das fünfte Mal, dass ich schon vorher weiß, dass ich keine Familie hab‘, die mir zum Älter-werden gratuliert.
Natürlich rede ich mir ein, dass ich da ohnehin keinen Wert drauf lege und das es nicht wichtig ist und so weiter – aber fehlen tut es doch; nicht nur ganz besonders heute, sondern eigentlich immer.
Ich habe schon mit vielen Menschen über „Verlust“ gesprochen; über die Leere, wenn da sonst niemand mehr ist. Und ja: neben mir gibt es halt keine Familie mehr.
Sicher finde ich Zuflucht in meiner festen Partnerschaft – aber „alles“ kann diese weder mir noch sonst irgendwem geben.
Partner stehen einem zur Seite – sie können einfach gehen, wenn es ihnen nicht mehr passt. Sie haben keine „Verpflichtung“ auf Lebenszeit da zu sein – nicht wie es sich mit der „Familie“ verhält.
Klar habe ich zwei grandiose Beispiele für „Familie“ die obige „Verpflichtung“ auch einfach abgestriffen haben, aber es bleibt abnormal und entspricht nicht dem, wie es eigentlich sein sollte – und bei den meisten Menschen auch ist.
Jeder hat irgendwo irgend wen – Tanten, Onkel, Oma und Opa – Mama UND Papa, Geschwister, Cousinen – nicht zu letzt: eigene Kinder.
Doch all das habe ich nicht.
Es sind Tage wie heute, wo ich mich sehr einsam fühle und frage: ist es das wirklich gewesen? Denn ich weiß heute – und wusste bereits gestern: an diesem Gefühl wird sich nie wieder etwas ändern.
Vor allem an Tagen wie heute denke ich an meine Mama – nicht traurig oder weinend, nur verständnisvoll. Auch ihre Eltern starben früh (wobei mein Opa erst starb als meine Mama bereits verheiratet, Mutter zweier (dreier) Kinder, +- 36; sie mir also nochmal gut 15 Jahre voraus war) – und daneben gab es keine weitere Familie.
Eine typische, deutsche „Kriegsfamilie“ – und sehr ungewöhnlich, da beide Eltern selbst Einzelkinder, ebenso wie auch meine Mutter.
Sie hat zwanzig Jahre so gelebt – also ohne Wurzel. Und ich erinnere mich gut, wie oft sie – selbst inmitten ihrer Kinder, einsam war.
Dann bewundere ich alles, was sie dennoch geschafft und erreicht hat und frage mich, ob ich einfach „schwächer“ bin oder eben „einsamer“.
Ich komme einfach nicht umhin ganz besonders heute mich selbst zu bedauern.
Viele können es sicher nicht mehr hören – und all diesen kann ich nur freundlich winken und gratulieren, da sie anscheinend meine Wahrnehmung bestätigen und selbst nicht die leiseste Ahnung haben von dem, worüber ich gerade schreibe.
Gerade vor ein zwei Wochen befand ich mich in einem Gespräch über „wahrhaftiges Leid“ – und musste mir belächelnd und mit einem Unterton behaftet sagen lassen: „Ja, Kira, du hast halt deine Mutter beerdigt – aber…“
…als wäre das mein einziges Problem in meinem Leben gewesen 😀
Das Traurige ist, dass der Verlust meiner Mutter nur den Höhepunkt meiner Biografie darstellt, jedoch nicht deren einzigen Inhalt.
Davor und auch danach habe ich so unfassbar viele Dinge erlebt und gesehen, das es Wochen brauchen würde jedes einzelne Erlebnis in Worte zu fassen. Viele Dinge verbuche ich schlicht unter „Lebenserfahrung“ – einige andere habe ich mithilfe professioneller Menschen in den Analen meines Gehirns verbannt, auf das sie mich nie wieder erreichen werden.
Aber ich setze mich nicht über andere Menschen hinweg, denn jedes Leid ist ein persönliches Leid, das subjektiv schlimm ist. Es steht weder mir, noch sonst irgendwem zu, über die Schwere des jeweiligen Leides ein Urteil zu fällen – und deswegen lasse ich es.
Enttäuschenderweise gibt es unfassbar viel Leid in dieser Welt – nicht nur, wenn wir den Blick gen Kriegsgebiet und Afrika wenden. Oft reicht ein kurzer Blick zu einem unserer Nachbarn.
Aber darum geht es heute nicht.
Es geht in diesem, meinem Blog wie so oft, ganz einfach nur um mich, die Gefühle welche mich ereilen und die Gedanken, die ich mir dazu mache.
Ich fühle mich nicht wie „bald 30“ – aber wie fühlt man sich dann?
Ich fühle mich nur einsam – ob mit 21, 25 oder irgendwann 47. Ich habe keine Angst davor, meine „kindliche Art“ zu verlieren, weil ich älter werde. Ich nehme an, dass das Meiste von dieser Kindlichkeit bereits verschwunden ist, als ich meine Mutter gewaschen und angezogen habe, als ich damals in der ersten Reihe alleine saß.
Es bleibt das „älter werden“ und die Befürchtung, das sich an diesem Zustand nichts mehr ändert.
Ich bezweifle stark, dass ich irgendwann den Tag erlebe, dass mein Erzeuger sich, für seine Vergehen an mir, entschuldigt und ich bezweifle, das meine Schwester plötzlich „clean“ wird und aus einem anderen Grund, als akuter Geldnot, vor meiner Türe steht.
Ich gehe davon aus, dass meine kleine Nichte – die ich nun seit bald zwei Jahren nicht mehr gesehen habe, nicht einmal meinen Namen kennt und so vermutlich niemals den Versuch unternimmt, mich kennen lernen zu wollen.
Zumal ich Erfahrung damit habe, wie es ist, wenn ein Familienmitglied, dass im Grunde nicht zur eigenen Familie zählt – weil es einfach keine gemeinsame Vergangenheit gibt -, sich nach unzähligen Jahren dazu aufmacht dich kennen zu lernen. Einen sagenhaften und schmerzhaften Ausflug in ein solches Szenario hatte ich mit meinem Bruder. Dem Sohn meiner Mutter aus ihrer ersten Ehe.
Ich war 17 als ich ihn kennen lernte – und er schlappe 38.
Auch wenn wir bemüht waren Parallelen in unseren Welten zu finden, – und nach angestrengtem zusammendrücken aller Augen, waren es schlussendlich genau diese 20 Jahre Unterschied – ohne den anderen, die eine gemeinsame Zukunft, nicht zuletzt wegen der allgegenwärtigen Missverständnisse und persönlichen Wertvorstellungen, unmöglich machten.
Trauriger Weise muss ich dazu auch sagen, dass es mich nicht groß an Überwindung gekostet hat, einen Kontakt zu diesem neuen Bruder endgültig zu unterbinden.
Entgegen vieler „Menschen“ akzeptierte ich ihn jedoch stets als meinen Bruder – ohne Halb – kann ihn deswegen aber nicht „mehr“ (= viel) in meiner Gegenwart ertragen.
Leider weiß ich auch, dass ich mit diesem Bruder jeglichen Vorrat an verschollenen Familienmitgliedern aufgebraucht habe und hoffe daher nicht auf eine mysteriöse Botschaft, eines entfernten Verwandten, in den kommenden Jahren.
Es gibt glaube ich keinen Rat, der mir „helfen“ könnte, dieses Los anders zu tragen.
Es bleibt ein unabänderlicher Zustand, der den Rest meines Lebens Bestand behält.
Und ich habe mir diesen Zustand niemals aussuchen dürfen, sondern trage – auch ohne Opfer zu sein – die Entscheidungen anderer Menschen; jener Menschen, die mir mal am Nächsten gewesen sind.
Mit „Fairness“ hat das nichts zu tun, aber mit (meinem) dem Leben.
ein paar lange Gedanken zum Älter-werden;
ein paar Gedanken zu diesem Leben.
– Kira 🙂
4 fremde Gedanken zu “„Fast 30!“”